Zur Reichsbahnzeit bis 1937 war die Deckung mit Kraftfahrzeugen außer in Großstädten noch relativ gering.
Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass in der Bahnhofsstraße eines kleinen Ortes außer einem
LKW und zwei bis drei Motorrädern mehr als zwei
PKW gleichzeitig zu sehen waren. Das sollten Sie auch
bei Ihrer Epoche II–Modellbahn berücksichtigen.
Ganz anders sieht es jedoch bei Fahrrädern aus. Im Mittel kam ein „Drahtesel” auf jeden vierten Einwohner.
Zum Glück bietet Fremde Seite
Preiser mit der Nummer 45213 einen ganz ausgezeichneten Bausatz
für je ein Herren– und Damenrad im Maßstab 1:22,5 an (passend zur
LGB®–Modellbahn).
„Angefressene Modellbauer” freuen sich über die schönen Modelle, finden
jedoch auch gleich noch ein paar Punkte, die ein wenig verbessert werden können. Ganz mutige wagen sich sogar an einen Umbau.
Ein solcher Umbau vom modernen Typ zum Vorkriegs–Fahrrad mit Schwanenhals–Rahmen (tiefem Einstieg) wird hier beschrieben.
Abschnitte dieser Seite:
In der Pappschachtel finden sich alle benötigten Teile für ein rotes Damen– und ein
blaues Herrenrad. Die Detaillierung ist sehr gut, die Montage einfach und der Preis günstig. Das Foto zeigt die Fahrräder auf der Verpackung.
Sehr gut gefallen die Reifen und Pedale aus Gummi sowie die „Glas”–Teile
für die Lampen. Was sich in Kunststoff–Spritzguss realisieren lässt, hat Preiser konsequent umgesetzt.
Die Wirkung der hübschen Modelle lässt sich mit ein wenig Farbe deutlich verbessern. Farbe alleine
hilft jedoch nicht gegen den schwächsten Punkt: die Räder. 20 Speichen sind dann doch arg wenig.
36 bis 40 davon dürften es je Rad schon sein. Deswegen kann Preiser kein Vorwurf gemacht werden.
Die hier vorgestellte Lösung liegt in der Mitte zwischen dem rationalen Spritzguss und dem Modellbau–Wahnsinn mit echten Drahtspeichen.
Ganz besonders pfiffig sind bei den Bausätzen die Lösungen für die Pedale, die Tretkurbeln und
die Vorderradgabeln. Diese Teile lassen sich nämlich auch am montierten Modell noch drehen,
was bei mehreren nebeneinander abgestellten Fahrrädern natürlich wirkt.
Passend zur Epoche der geplanten Kleinbahn sollte zunächst ein Damenrad mit einem so genannten
„Schwanenhalsrahmen” entstehen. Der Name rührt von dem eleganten Doppelschwung her,
der den Damen auch mit züchtig langen Röcken die Nutzung dieses Fortbewegungsmittels ermöglichte.
Die Bilder dieses Abschnitts zeigen ein Bauer–Rad mit so einem Rahmen. Der Sattel, das Rücklicht
und die Reflektoren sind nicht original. Auf dem ersten Bild ist die Klotzbremse am Vorderrad gut zu erkennen.
Solche Bilder hätte der Verfasser vor dem Baubeginn besser länger studieren sollen. Denn der erste
Ansatz zum Umbau des Rahmens klappte prompt nicht wie gewünscht.
Der Umbau erforderte zahlreiche sehr filigrane Metallteile. Dazu gehören unter anderem die Kette,
das Kettenblatt und eben auch die Radsterne mit den Speichen. Diese Teile wurden von
Fremde Seite
Ätztechnik Herbert Caspers geätzt. Zum Thema
„Ätzen” gibt es eine eigene Seite im Modellbau–Bereich.
Wie beim Vorbild sind die Speichen innen auf beiden Seiten der Nabe angebracht. Die
Konstrukteure von Preiser haben das bei den Kunststoff–Rädern sehr pfiffig gelöst. Mit
flachen Blechen aus 0,2 mm dünnem Neusilber–Blech
geht das nur plastisch, wenn der Stern aus zwei Teilen zusammen gesetzt wird. Dabei diente die Imitation des Ventils als Ausrichtungs–Hilfe.
Die zwei Sterne mussten zunächst zu flachen Kegeln gedrückt werden. Das war nun aber ganz schwierig,
da um die Speichenenden herum ein ganz dünner Kranz läuft - denn sonst hätten die Speichen keine
Überlebens–Chance. Entweder dieser Kranz ist zu weit oder die Speichen sind zu kurz. Wie auf
dem Foto zu erkennen ist - an der Speiche unten rechts - ging der Drückvorgang beim ersten Versuch daneben.
Und sind Speiche oder Kranz erst einmal verknickt, wird es arg schwierig, das wieder zu richten.
Durch diese Erfahrung gewitzt, wurde beim zweiten Rad anders verfahren. Diesmal kam wieder als
Nachbildung der Nabe ein Messing–Röhrchen zwischen den Blechhälften zum Einsatz. Die
Kränze der beiden Teile wurden jedoch mit einem speziellen Werkzeug zusammen gehalten, das eine Lücke für die Lötarbeiten hat.
Der Bau der Felge selbst aus einem Blechstreifen war auch nicht ganz trivial. Zwar halfen vier
angeätzte Nuten - je eine außen und innen je Seite - bei der Drückarbeit mit einem Stempel.
Aber auch das ist eher eine Arbeit für ausgebildete Goldschmiede als für Modellbahner.
Die Umformung zur „halben Wurstpelle” darf erst erfolgen, nachdem ein Ring aus dem flachen Blech auf die Sternhälften gelötet wurde.
Das Foto zeigt die ersten Arbeiten beim ersten Rahmenumbau. Die Schutzblech–Haltestreben und der
originale Rahmenunterzug wurden entfernt. Das neue Unterteil entstand aus Polystyrol–Rundmaterial,
das von 1,5 auf 1,3 mm Durchmesser dünngeschliffen wurde.
Der Denkfehler dabei: Die obere Rahmenstange geht vom Lenkkopf beim Original steiler nach hinten unten
ab. In Folge passte sich der neue Unterzug nicht so richtig der Rundung des Vorderrads an. Der solcher Art
umgebaute Rahmen und die Gabel wurden dann zunächst entfettet und schwarz gespritzt.
Die Nachbildung von Kette, Kettenblatt und Ritzel entstand aus drei Schichten. Die mittlere
Schicht besteht aus den Zahnrädern und dem Mittelteil der Kette, also dem, wo im Original
die Rollen liegen. Diese wurden hier nur am Rand angedeutet. Die beiden äußeren Schichten
hingegen bilden die Kettenglieder, die hier tiefgeätzt wurden.
Leider klappte der schöne Plan nicht, die Teile über 0,2 mm–Stifte
mit Bolzenimitationen zu versehen. Auch im zweiten Versuch ätzten sich die Bohrungen nicht durch.
Für die Montage müssen die Teile einmal getrennt werden, da die Kette wie beim Original einmal
den hinteren Rahmenteil kreuzt. Die drei Schichten wurden daher versetzt aufgetrennt und zunächst
abseits dieser Öffnungen verlötet. Nach dem Einsetzen sicherte ein wenig Lot dann auch die Trennstelle.
Dann folgte der aus mehreren Teile gebaute Kettenschutz. Da sein vorderer Halter hinter
dem Kettenblatt liegt, müssen Schutz und Kette gemeinsam am Rahmen befestigt werden. Das dritte
Foto des Abschnitts zeigt das Ergebnis mit der brünierten Kette.
Der obere Rahmen des Gepackträgers entstand aus zwei dünnen Blechstreifen mit angeätzten Ösen
für die senkrechten Streben und 0,3 mm–Bohrungen
für die Querstreben. Aus 0,3 mm–Draht besteht
auch der Bügel, während die Spannfeder aus 0,1 mm
„starkem” Material gewickelt wurde. Funktional ist sie jedoch nicht
.
Während die Anbringung der Schutzblech–Haltestreben sich
als einfach erwies, stellten solche Teile wie der Sperrhebel für die Rücktrittbremse oder die
Halter für Dynamo und Bremshebel die Nerven auf eine harte Probe. Das Rücklicht aus rotem,
transparentem Kunststoff erhielt die typische ovale Form (es ist beim Bausatz rechteckig).
Der Sattel des Modells sollte die damals übliche Federung erhalten. Sie besteht vorne aus einer
Wickelfeder quer zur Fahrtrichtung und hinten aus zwei auf Zug belasteten, senkrechten Federn.
Die Kunststoff–Sattelstange wich einem Stück verzinnten Rundmaterials.
Auf dem dritten Bild dieses Abschnitts ist die Wirkung der Umbauten schon deutlich zu erkennen.
Leider fällt aber ebenso deutlich auf, dass die Rahmenform noch nicht stimmt. Nach einigen
Seufzern wurde der innere Schweinehund überwunden und ein erneuter Umbau begonnen.
Die Modelle von Preiser sind schön zierlich. Das bedeutet aber auch, dass der Kunststoff nicht
allzu stabil ist. Außerdem sollte die Geometrie des Fahrrads auch nach dem Umbau noch stimmen,
beispielsweise die Höhe und der Winkel des Lenkkopfs.
Die neuen Rahmen–Mittelteile aus 1,3 mm Rundmessing
mussten daher in zwei Schritten geformt und angebracht werden. Als erstes kam der untere
Teil dran und wurde mit dünnen Stiften an Sattelrohr und Lenkkopf angeklebt. Eine
provisorisch angelötete Hilfsstange zum Vorderrad sicherte anschließend die Position der Teile.
Sie ist auf dem ersten Bild des Abschnitts zu sehen.
Die zweite Stange konnte nach der Anpassung mit List und Tücke auch verstiftet werden - nachdem
nämlich die hintere Verbindung der ersten Stange wieder gelöst worden war. Die zwei gebogenen
Mittelstreben versteifen die Konstruktion wie beim Vorbild (siehe zweites Foto).
Nach dem erfolgreichen Umbau des Mittelteils folgte der letzte, weit vergnüglichere Teil des Bastelspaßes - die farbliche Gestaltung.
Die Felgen wurden - nicht untypisch für die damalige Zeit - auch lackiert. Sattelbezug und
Handgriffe erhielten eine seidenmatte, braune Farbe, das Rücklicht seine Fassung aus „Aluminium”.
Die Griffe der Luftpumpen waren früher meist aus klar lackiertem Buchenholz. Auch das wurde hier mit Farbe berücksichtigt.
Verschiedene Mischungen aus Aluminium–, Silber– und Eisenfarbe mit mehr oder
weniger mattem oder glänzendem Klarlack sorgten für unterschiedliche Glanzgrade und
Schattierungen der echten und aus Kunststoff nachgebildeten, blanken Teile.
Fazit: Der Umbau des Fahrradmodells hat sehr viel Spaß gemacht und gelang auch
deswegen gut, weil die Originalteile von Preiser eine ganz ausgezeichnete - und maßstäbliche -
Vorgabe bieten. Mehr als zwei bis drei solche Räder möchte der Verfasser allerdings nicht
basteln müssen: Die nervliche Anspannung könnte für eine vorzeitige Alterung sorgen.